Bildung im Wettbewerb – Über Bildungsgutscheine

Eine traditionelle Rolle des Staates wird darin gesehen, dass er die Bildung seiner Bürger mindestens in einem gewissen Maße garantiert. Milton Friedman, Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften und Gegenspieler von John Maynard Keynes, hat sich allerdings schon 1955 Gedanken darüber gemacht, wie sinnvoll das staatliche Bildungsmonopol ist und es in Teilen in Frage gestellt. Da Friedman sich als klassischer Liberaler sah, hatte er eine große Skepsis gegenüber zu großer Macht des Staates, die er in vielen wissenschaftlichen Arbeiten und wirtschaftswissenschaftlichen sowie philosophischen Essays argumentativ zum Ausdruck brachte, in denen er die positiven Auswirkungen des Wettbewerbs in der Wirtschaft betonte.

Im Bildungsbereich plädierte er für eine Kombinationsmöglichkeit aus Privatisierung und staatlichem Bildungsauftrag in Form von Bildungsgutscheinen. Der Staat soll dabei den Eltern von schulpflichtigen Kindern Gutscheine geben, die diese gegen Bildungsleistungen bei privaten, aber staatlich zertifizierten Bildungseinrichtungen eintauschen können. So kann der Staat die Voraussetzung dafür schaffen, dass jedes Kind Schulbildung in Anspruch nehmen kann, dass dabei Schulpflicht möglich ist und dass zugleich Wettbewerb im Bereich der Bildung existiert, der im Rahmen von Konkurrenz dazu führen soll, dass sich die Leistung der Schulen verbessert und dass mehrere didaktische Konzepte empirisch ausprobiert werden. Außerdem ermöglicht ein solches System Eltern mehr Wahlmöglichkeiten.

In Chile wurde und wird dieses Konzept erprobt, wobei neben privaten Schulen auch staatliche Schulen zur Verfügung stehen, bei denen man die Gutscheine einlösen kann. Neben den Gutscheinen werden dabei von privaten Schulen seit 1993 auch zusätzliche Gebühren nach eigenem Ermessen erhoben.

Zu den Auswirkungen des Gutschein-System gibt es mehrere Studien und wissenschaftliche Arbeiten, so etwa die Einschätzungen von Chang-Tai Hsieh und Miguel Urquiola von der Columbia University, die in ihrer Studie “The effects of generalized school choice on achievement and stratification: Evidence from Chile’s voucher program” (2006) keinen besondern Anstieg der akademischen Leistungen und der Schulleistungen der Schüler, aber große soziale Segregation als Resultate sehen. Private Schulen würden dabei vor allem die besten Schüler rekrutieren und nicht etwa die Qualität der Lehre selbst signifikant steigern. Die Schüler von privaten Schulen würden zwar besser Leistungen zeigen, dies lasse sich jedoch auf Effekte zurückführen, die auf das Vorsortieren zurückgehen und die, wenn sie herausgerechnet werden, darauf verweisen, dass erwartete wettbewerbsbedingte Leistungssteigerungen selbst bei den Privatschülern ausbleiben. Andere Studien sehen geringe Verbesserungen der Schulleistung, aber auch größere Abhängigkeit von sozio-ökonomischer Herkunft.

Zu einem Desaster haben die Bildungsgutscheine jedenfalls nicht geführt. Es gab keine Verschlechterungen oder Engpässe, was vermutlich auch auf die Versorgung durch public schools zurückzuführen ist. Fraglich bleibt, inwieweit man aus den begrenzten Daten aus Chile zu einer abschließenden Gesamtbeurteilung kommen kann. Möglicherweise zeigen sich starke positive Effekte erst nach einigen Jahrzehnten. Schließlich muss auch erst einmal empirisches Material gesammelt werden, das ausgewertet wird und erst dann zu didaktischen Anpassungen führen kann. Möglicherweise gibt es in Chile auch besondere Auswirkungen von speziellen Parametern wie etwa die Schüler-Auswahlmöglichkeiten der Schulen, die man anders gestalten könnte. Die mangelnde Chancengleichheit lässt sich vielleicht im Wesentlichen darauf zurückführen, dass zusätzliche Studiengebühren erhoben wurden. Was Bildungsgutscheine im jeden Fall bieten, ist eine größere Vielfalt, die den Eltern mehr Wahlmöglichkeiten bieten. Ob sie auch die Effizienz der Lehre steigern, kann abschließend noch nicht beurteilt werden.