Wirtschaft

Bringt die Philosophie an die Schulen!

Der Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman soll einmal sinngemäß gesagt haben: “Die Wissenschaftler brauchen die Wissenschaftstheorie für ihre Arbeit ungefähr so sehr wie die Vögel die Ornithologie zum Fliegen.” Analog denken viele über die Philosophie. Erkenntnisse gewinnt man nach der Ansicht dieser Menschen mit der Alltagserfahrungen sowie ggf. in den Einzelwissenschaften und um ein gelingendes Leben zu führen, muss man bloß moralisch und zweckmäßig handeln, nicht aber über das richtige Handeln nachdenken, denn was das ist, das wisse man ja schon. Erkenntnistheorie, Logik, politische Philosophie und Ethik erscheinen diesen Menschen deshalb überflüssig, abgehoben, abstrakt und lebensfern. Die Philosophie erscheint ihnen als redundantes Epiphänomen.

Tatsächlich lebt die Philosophie ein Schattendasein. An den Schulen kommt sie höchstens als optionaler und amputierter ethischer Diskurs innerhalb der Oberstufe vor. An den Universitäten bildet sie kleine Fachbereiche, die sich insbesondere aufgrund etablierter Studienstrukturen hauptsächlich mit sich selbst beschäftigen. Diese Beschäftigung mit sich selbst hat einen Eigenwert, bildet aber nur eine Teilmenge der Möglichkeiten der Philosophie.

Die Denkweise, die zu diesem Zustand geführt hat, weist einen Mangel auf: Die Philosophie ist kein Epiphänomen. Sie ist auch nicht nur eine isolierte Fachdisziplin. Sie ist grundlegend und wirkt sich aus. Es ist kein Zufall, dass die philosophisch geprägte Antike einen riesigen technologischen Fortschritt mit sich brachte. Moralische Entwicklung des Charakters, die dazu führt, dass aus jeweils fortgeschrittenen moralischen Begründungen als Ursachen heraus gehandelt wird, erfordert nach Kohlberg die rationale Beschäftigung mit Ethik. Sinnvolle politische Systeme setzen voraus, dass sich jene, die diese Systeme bilden, darüber Gedanken machen, was ein sinnvolles politisches System ist. Es ist ebenfalls kein Zufall, dass die politische Philosophie in der tatsächlichen Politik einen riesigen Einfluss hat. Die Fähigkeit, logisch korrekt zu schließen, welche in jeder Fachwissenschaft sowie im demokratischen Diskurs elementar wichtig ist, erhöht sich durch die Beschäftigung mit Logik und Argumentationstheorie. Das Bewusstsein für methodische Probleme wächst mit der Beschäftigung mit Wissenschafstheorie, die unter Masken wie “Methodologie” und “Statistik” längst – wenn auch eingeschränkt – in den Einzel-Wissenschaften gelehrt wird.

Die Philosophie allein mag uns nicht sagen können, wie schnell sich ein bestimmter Körper zu Zeitpunkt t an Ort s bewegt, aber sie entwickelt notwendige Grundkompetenzen, die dazu führen, wie man eventuell herausfinden kann, wie schnell sich ein bestimmter Körper zu Zeipunkt t an Ort s bewegt.

Es mag sein, dass die Philosophie auf einem fortgeschrittenem Stadium wie der Arbeit von höchstqualifizierten Fachwissenschaftlern kaum Effekte hat, doch um dieses Stadium erreichen zu können, muss man durch elementare Gedanken aus den Bereichen Logik, Wissenschaftstheorie etc. bereits hindurch gegangen sein. Höchstqualifizierte Fachwissenschaftler mögen von weiterer Beschäftigung mit Philosophie wenig profitieren können, aber nur, weil sie philosophiert haben und gerade jene, die sich mit Philosophie noch nicht oder nur wenig auseinandergesetzt haben, würden profitieren. Das mag dann nicht als Philosophie erscheinen, sondern als rationales Denken, ist aber nichts anderes als Philosophie, weil die gute Methodik von der schlechten sowie die guten Argumenten von den schlechten abgesondert werden. Die Philosophie strebt nach Wahrheit und fragt, wie wir sie finden. Und selbst wenn sie dabei selten zu einwandfreien methodologischen Ergebnissen kommt, verwirft sie zumindest jene Wege, die gänzlich untauglich sind. Die Frage nach Wahrheit ist wichtig, denn wer in Wissenschaft, politischen Diskussionen und seinem Handeln untaugliche Mittel wählt, weil er an unwahren oder schlecht begründeten Überzeugungssystemen hängt, wird sein Ziel nicht erreichen können. Philosophie vermittelt ähnlich wie Mathematik und der Unterricht in Sprachen eine Grundkompetenz, die notwendig ist, um die Vernunft zu gebrauchen, die dem Menschen die Möglichkeit bietet, sein technisches und ethisch-politisches Schaffen zu perfektionieren. Auch eine Demokratie kann nur dann wirklich funktionieren, wenn sie aus autonomen Menschen konstituiert wird, die ausreichend informiert sind, um in ihrem eigenen Sinne rational zu entscheiden. Demokratie braucht Menschen, die für sich entscheiden können.

Aus diesem Grund ist zu fordern, dass Philosophie und insbesondere auch theoretische Philosophie an weiterführenden Schulen eine größere Rolle spielt, sobald die Schülerinnen und Schüler die kognitiven Fähigkeiten erworben haben, die notwendig sind, um Philosophie zu betreiben. Es wäre beispielsweise möglich, Logik und Argumentationstheorie in der Oberstufe zu unterrichten. Die Beschränkung auf eine Alternative zu Religion als “Ethik” wird der Möglichkeit, die Philosophie bietet, zumindest nicht gerecht. Jemand, der sich mit Logik und Erkenntnistheorie auskennt, kann kritisch denken, er wird nicht blind einer Ideologie oder einer fanatischen Religion folgen, weil er gelernt hat, was es heißt, die Worte anderer zu hinterfragen. Ihm muss religiöser Fanatismus arbiträr erscheinen. Außerdem wird er, so er Wissenschaftler wird, ein kritisches Verhältnis zu kruden Methoden entwickelt haben und so eher befähigt sein, wissenschaftlichen Fortschritt zu Tage zu fördern. Die desolaten Verhältnisse in medialen Diskursfeldern und manchen wissenschaftlichen Disziplinen zeigen, dass Philosophie insbesondere auf schulischem Niveau nötig ist. Die Philosophie ist als eine Metadisziplin, die positiven Einfluss auf die Fachdisziplinen hat, ebenso grundlegend wie der Unterricht in Mathematik und Sprache, der seinerseits Konzepte vermittelt, die in (fast) jeder Fachdisziplin erforderlich sind.

Warum wir Google nicht fürchten müssen

Google ist einer der mächtigsten Konzerne der Welt und verfügt dabei inzwischen über viele vielversprechende Systeme und Teilbereiche wie Youtube, Android und den Browser Chrome. Am wichtigsten ist aber immer noch die namensgebende Suchmaschine selbst. Der Google-Marktanteil im Suchmaschinenbereich liegt über 90%. Die sogenannten organischen Suchergebnisse bilden dabei den Mehrwert für den Nutzer. Sie zeigen dem Anwender im Sinne komplizierter Algorithmen möglichst genau das, was er sucht: Relevante Internetquellen zu den Suchwörtern, die er eingegeben hat. Unzählige Anfragen gehen bei google ein. Unzählige werden in Sekundenschnelle kompetent beantwortet. Ursprünglich war hierfür der Pagerank-Algorithmus ausschlaggebend, der von Larry Page und Sergei Brin an der Stanford University entwickelt wurde und beide zu Milliardären machte. Er gewichtet den Wert einer Seite anhand von eingehenden Links, wobei eine Seite desto besser gewichtet wird, je mehr Links auf sie verweisen und je stärker die auf sie verlinkenden Seiten selbst verlinkt sind. Dieser spielt wahrscheinlich immer noch eine Rolle, wurde aber inzwischen ergänzt. Die genaue Such- und Gewichtungsmethode ist geheim und wird ständig weiterentwickelt, auch um Manipulation durch Unternehmen zu erschweren, die einen Vorteil davon haben, möglichst weit oben in der Ergebnisliste zu stehen. Früher entstanden ganze Linknetzwerke aus sinnlosen Webseiten, nur um den Pagerank von bestimmten Konzernseiten künstlich zu erhöhen. Heutzutage weiß google sich gegen sowas gut zu helfen.

Man mag sich fragen, wie Google an der Suchmaschine verdient, obwohl sie kostenlos ist. Das ist leicht zu beantworten. Neben den organischen Suchergebnissen gibt es zusätzlich kommerziell geschaltete Werbung (Google Adwords), die von den organischen Suchergebnissen optisch leicht abgetrennt und unterschieden ist und die passgenau zu Suchwortgruppen erstellt werden. Extrem viele Unternehmen bezahlen für diese Werbung Geld und generieren dadurch ihrerseits Besucher und Einkünfte. Außerdem bietet Google ein Werbe-Anzeigensystem (Adsense) für Webseiten, mit dem Werbung geschaltet wird, die ähnlich wie die Adwords-Suchergebnisse an die Nutzer angepasst ist. Durch diese passgenaue Werbung ist Google extrem effizient, was aber auch dazu führt, dass Google ein Interesse hat, diese Passgenauigkeit zu verbessern. Suchergebnisse werden seit einiger Zeit personalisiert. Im Allgemeinen möchte Google die Werbung in Adwords-Ergebnissen und Google-Adsense-Werbung möglichst so schalten, dass sie genau die Zielgruppe erreicht, für die sie konzipiert ist. Dafür ist die Analyse des Nutzerverhaltens wichtig, was angesichts der Tatsache, dass Google nicht nur über eine Suchmaschine, sondern auch über Browser und extrem viele Kooperationspartner verfügt, immer besser möglich wird. Dass Google ein Interesse an dieser Passgenauigkeit hat, wird auch anhand von Aussagen mancher Google-Magnaten deutlich. So hat Google-CEO Eric Schmidt im Interview mit dem Wall Street Journal behauptet “Ich glaube, dass die meisten Menschen eigentlich nicht wollen, dass Google ihnen ihre Fragen beantwortet. Sie wollen, dass Google ihnen sagt, was sie als nächstes tun sollen.”

Datenschützer sind deswegen in hohem Maße alarmiert. Der gläserne Mensch ist eine bekannte Horrorvision. Kürzlich hat sich auch Axel-Springer-Chef Döpfner in der FAZ unter dem Titel “Warum wir Google fürchten” über Googles Monopolstellung und Macht geäußert und hat die Horrorvisionen des gläsernen Menschen und der Abhängigkeit der Welt von Google sehr ausführlich skizziert. Ich denke, es ist wichtig, dazu folgendes zu sagen: Datenschutz ist vor allem ein rechtliches Problem. Wenn sich die Bürger für sinnvolle Politik einsetzen und damit auch für sinnvollen Datenschutz, dann sind Google hier Grenzen gesetzt. Und zur Monopolstellung: Google kann niemanden ausnutzen, der es nicht zulässt. So wir von Google abhängig sind, ist Google von uns abhängig. Google hat die Monopolstellung, weil Google sehr gute Suchergebnisse liefert. Das nützt zunächst allen, die mit Googlen suchen. Wenn Google hier im großen Stil manipulieren würde, dann würden Google sich den Ast absägen, auf dem das Unternehmen sitzt. Im Zweifelsfall und wenn der Markt nicht schnell genug wäre, könnte auch hier die Politik eingreifen und neutrale Suchmaschinen entwickeln lassen. Auch wenn Google ein Monopol hat, ist das Unternehmen von den Nutzern abhängig. Was Datenschutz anbelangt, können wir uns politisch für die nötigen Gesetze einsetzen, die wir uns wie immer genau überlegen sollten. Die automatische Analyse der eigenen gmail-Emails ist sicherlich überaus grenzwertig, andere Aspekte wie ein Google+-Button, der Daten an Google sendet, wenn jemand bei Google+ eingeloggt ist, sind dagegen harmlos.

Steuern und das Nutznießer-Verursacher-Prinzip

Steuern werden von manchen libertären Denkern kritisiert und mit Raub verglichen. Dabei spielt  eine Idee von Nozick mit, der meint, dass Individuen sich selbst gehören und eine Theorie von Locke zur Aneignung von Eigentum, die heute insbesondere im Rahmen von Umweltfragen Probleme breitet, die zu Lockes Zeiten noch nicht zu ahnen waren. Locke glaubt, dass die Welt so beschaffen ist, dass wenn sich jemand etwas aneignet, prinzipiell noch genug für andere da ist und dass die Aneignung anderen sogar nützt, weil Eigentumsrechte dazu führen, dass man sich um sein Eigentum sorgt, es mehren möchte, etwas produziert und mit anderen handelt – analog zur unsichtbaren Hand Adam Smiths. Wer sich etwas erstaneignet, der tut also niemandem Unrecht und so liegt es nahe, dass staatlich verordnete Zwangs-Abgaben unrechtmäßig seien, zumindest wenn man eine Idee des Selbsteigentums vertritt, die allerdings meiner Ansicht nach zurecht nicht unumstritten ist, weil aus ihr keine soziale Fürsorge abgeleitet werden kann, zu der wir meiner Überzeugung nach in vielen Fällen verpflichtet sind.

Bei vielen Gütern mag es richtig sein, dass die Erst-Aneignung niemandem schadet und dass genügend übrig bleibt. Außerdem hat eine Tendenz zum Wirtschaftsliberalismus den Vorteil, selbstregulative Marktmechanismen zu nutzen, die allen zugute kommen, doch es gibt Güter, die kann man sich nicht aneignen, ohne dass alle dadurch geschädigt werden. Die einzige soziale Verantwortung eines Unternehmers sei es, den Profit zu maximieren, so Friedman und das ist im Sinne der unsichtbaren Hand auch keine dumme Aussage, allerdings steht so der Staat umso mehr in der Pflicht, das Regelfeld zu konstruieren, in dem Unternehmen aktiv werden können. Wenn jemand ein Atomkraftwerk baut oder ein Kreuzfahrtschiff mit Schweröl betreibt, so schädigt er damit auf fatale Weise – so es keine gesetzliche Regularien gibt – seine Mit-, Um- und Nachwelt. Die Studien zum Klimawandel und zu Strahlenschäden sprechen eine eindeutige Sprache. Die Menschheit muss hier für Schutz sorgen, wenn sie sich nicht selbst ins Chaos stürzen möchte. Wenn ein Unternehmer ökonomisch gesprochen allgemeine Güter nutzt, ohne für den dadurch entstanden Schäden aufzukommen, ist das ein Problem. Ein extrem wirtschaftsliberales System fördert gerade so ein umweltschädliches Verhalten, weil der Konkurrenzdruck dazu führt, dass man als Unternehmer seine Kosten möglichst gering halten muss. Hier auf Corporate Social Responsibility zu vertrauen, wäre also illusorisch, vielmehr müssen rechtliche Regularien her. Steuern sind hier ein Instrument, um dafür zu sorgen, dass derjenige, der Kosten verursacht, um einen Nutzen zu erlangen, auch für diese Kosten aufkommen muss. So empfiehlt auch die OECD, dass dem Nutznießer-Verursacher-Prinzip in Umweltfragen Rechnung zu tragen ist. Steuern und staatliche Regularien im Allgemeinen zu verurteilen, ist ebenso kurzsichtig wie zu meinen, dass eine hohe Staatsquote notwendig zu sozialer Gerechtigkeit führen würde.

Globalisierung und Armut

Man liest immer wieder, dass die Schere zwischen arm und reich im Zuge liberaler Wirtschaftssysteme und der Globalisierung immer größer werde und häufig wird in Forschungen über Armut auch ein relativer Armutsbegriff verwendet, der Armut  relativ gesehen zur Gesamtpopulation bestimmt. Die Verbindung aus der These der Ungleichheit und einem relativen Armutsbegriff führt dann mitunter sogar zu der Schlussfolgerung, dass liberale Wirtschaftssysteme und Globalisierung für Armut verantwortlich seien. Das Gegenteil ist der Fall. Die nicht-imperialistische wirtschaftliche Globalisierung des späten 20. Jahrhunderts und von heute führt im Wesentlichen zum Abbau extremer Armut, zu weniger Kinderarbeit und mehr Gleichberechtigung, wie es der indische Ökonom Bhagwati nachweist.

Auch wenn es sinnvoll ist, die gesellschaftliche Relation in der Armutsforschung zu berücksichtigen, um Redistributionsmechanismen und die soziale Bedeutung von absoluter Armut besser beurteilen zu können, sind viele Argumentationen gegen die Globalisierung verkürzt, weil sie die absolute Dimension von Armut außer Acht lässt und weil nicht beachtet wird, dass in einer Volkswirtschaft die Menge der Produktion in extrem hohem Maße abhängig ist von der Art der Verteilung.

Den Unterschied zwischen relativer und absoluter Armut kann man anhand von Gedankenexperimenten gut verdeutlichen. Angenommen ich lebe allein auf einem kargen Planeten und leide an Hunger. Relativ betrachtet zur Gesamtpopulation, die hier nur aus mir selbst besteht, bin ich dann nicht arm. Absolut betrachtet bin ich jedoch sehr arm, denn ich leide an Hunger. Wenn ich dagegen in einer paradiesischer Welt lebe und mich mit einem kleinen Teil zufrieden gebe, weil es mir an nichts fehlt, während anderer erfolgreich viel mehr für sich beanspruchen, dann bin ich relativ betrachtet sehr arm, absolut betrachtet bin ich jedoch extrem reich, denn es fehlt mir an nichts. Mir persönlich wäre es weit lieber, in der zweiten Situation zu leben. Es mag sein, dass in Nordkorea die relative Armut geringer ist als in den USA, der Bevölkerung nützt das aber sehr wenig.

Im Zuge der Globalisierung und Liberalisierung insbesondere der Tigerstaaten lässt  sich erkennen, dass die Globalisierung hier in Form von Vernetzung mit der Restwelt und dem Abbau von Handelshemmnissen zunächst zu Wachstum geführt hat, der dann durch Spill-Over-Effekte zu einem signifikanten Rückgang absoluter Armut auch bei denjenigen geführt hat, die gesellschaftlich nicht in einer priveligierten Stellung waren. Dabei bedeutet Globalisierung selbstverständlich auch gegenseitige Abhängigkeit und Konkurrenz, die auch für Krisen wie beispielsweise nach 1997 mitverantwortlich war und einige Unternehmen gehen sicherlich auch als Verlierer hervor. Das Vorliegen von wirtschaftlicher Ungleichheit ist jedoch nicht notwendig für das Vorliegen absoluter Armut, im Gegenteil  fördert Ungleichheit den Abbau von Armut und ist notwendig für ein preis- und lohnbedingtes Informationssystem, das zu einer effizienten Ressourcenallokation führt. Die Form der Globalisierung und die Eigentumsverteilung auf der Welt lassen sich kritisieren, dabei sind ökonomische Gesetzmäßigkeiten jedoch ebenso zu beachten wie ethische Prinzipien. Globalisierung als Ganzes abzulehnen, ist nicht nur kurzsichtig, sondern den armen Teilen der Welt gegenüber unfair, die von der Globalisierung profitieren, was sich insbesondere an den positiven Auswirkungen des Abbaus des Protektionismus’ in Asien gezeigt hat. Was Freihandel anbelangt, hat Friedman Recht behalten: Die Interessen fallen hier zusammen, sie widersprechen sich nicht.

Trittbrettfahrerproblem und das Scheitern von Sozialismus und Laissez-Faire-Liberalismus

Das Trittbrettfahrerproblem besagt, dass einige Menschen nicht bereit sind, freiwillig für Kollektivgüter aufzukommen, wenn diese auch ohne Gegenleistung zur Verfügung gestellt werden. Das führt dazu, dass auch einige derjenigen, die unter Umständen bereit wären, für die Güter aufzukommen, nicht mehr für die Güter aufkommen wollen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, was wiederum weitere dazu motiviert, nicht mehr für die Kollektivgüter aufzukommen. Zugleich treten Fälle von Verantwortungsdiffussion auf. Die Tatsache, dass sehr viele für die Bereitstellung der Kollektivgüter verantwortlich sind, lässt den eigenen Wert sowie die eigene Pflicht gering erscheinen und senkt die Motivation, etwas zum gemeinsamen Ganzen beizutragen. Dadurch werden Kollektivgüter in einem solchen System unzureichend zur Verfügung gestellt.

Dieses Problem ist einer der Hauptgründe für das Scheitern des Realsozialismus, aber selbst wenn die Menschen zur Arbeit gezwungen werden würden oder perfekte Altruisten wären, müsste noch das Problem gelöst werden, dass die Selbstregulationskräfte des Marktes über Preis- und Lohnbildung zur effizienten Planung fehlen, auf das Mises aufmerksam macht. In einem rein egalitären System würden nicht nur die Anreize fehlen, um effizient zu arbeiten, sondern auch die Informationen darüber, wo und wie man effizient ist.

Interpretiert man die Umwelt als kollektives Gut, so tritt das Trittbrettfahrerproblem auch in klassisch-wirtschaftsliberalen Staaten – die so wohl nur im Modellen existieren, aber deren Begriff gleichwohl wissenschaftlichen Wert für die Beschreibung realer Systeme hat – auf, wenn die Umwelt geschädigt wird, weil Verantwortung diffundiert und verantwortungsloses Handeln einen Schneeballeffekt in Gang bringt, ohne dass ein Ausgleich gefunden wird. Ähnlich wirkt sich die Verantwortungsdiffussion bezüglich sozialer Pflichten aus, wenn soziale Fürsorge nicht eingefordert wird. Vielleicht sind das Trittbrettfahrerproblem und Verantwortungsdiffussion mit die größten Probleme einer liberalen Globalgesellschaft, die man nur mit ausgleichenden Gesetzen und vor allem internationalen Verträgen wirklich lösen könnte, was meiner Ansicht jedoch nicht – wie manche Kommunitaristen meinen – gegen den Liberalismus als Ganzes spricht, sondern nur Gründe für wenige und ganz gezielte staatliche Interventionen ins Marktgeschehen sowie internationale Kooperation bestimmt.

Gegen ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen

In vielen europäischen Ländern kommt immer wieder die Debatte auf, ob Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches erlaubt sein sollte. In der Hälfte Deutschlands ist es Lehrerinnen verboten, ein Kopftuch zu tragen und auch in vielen Nachbarländern Deutschlands gilt ein entsprechendes Verbot. Ich bin gegen ein solches Kopftuch-Verbot, weil ich denke, dass dadurch die Freiheit des Einzelnen unverhältnismäßig stark eingeschränkt wird, wofür hinreichend starke Gründe fehlen. Zunächst einmal möchte ich wesentliche Argumente skizzieren, die für oder gegen ein Kopftuch-Verbot sprechen und dann systematisch näher auf sie eingehen.

Argumente, die für das Kopftuch-Verbot vorgebracht werden:

  • Der Staat hat in Weltanschauungsfragen neutral zu bleiben, deshalb ist das Kopftuch zu verbieten.
  • Die Erziehung hat weltanschaulich  neutral zu bleiben, damit wirkliche Religionsfreiheit unter Erwachsenen besteht, deshalb ist das Kopftuch zu verbieten.
  • Das Kopftuch ist ein Symbol sexistischer Unterdrückung, deshalb ist das Kopftuch zu verbieten.
  • Das Kopftuch ist Symbol einer intoleranten Religion, die nicht auf dem Boden der Verfassung steht, deshalb ist das Kopftuch zu verbieten.

Argumente, die gegen das Kopftuch-Verbot vorgebracht werden:

  • Das Kopftuch verweist auf sehr unterschiedliche Bedeutungen. Das Tragen eines Kopftuchs ist nicht hinreichend dafür, das Dritte in relevanter Weise geschädigt werden und berührt so nur die Freiheitssphäre der Trägerin des Kopftuchs, die dieser qua Volljährigkeit gänzlich selbst überlassen ist.

Auch wenn es nach dieser Liste mehr Argumente für ein Kopftuch-Verbot gibt, ist ein Kopftuch-Verbot zu verwerfen, denn die Argumente sind ganz unterschiedlich zu bewerten. Dass der Staat in Weltanschauungsfragen neutral zu bleiben hat, kann zunächst unterschiedlich gedeutet werden. Es ist jedoch nahe liegend, dass Gruppen, die auf dem Boden der Verfassung stehen, nicht an gesellschaftlicher und politischer Partizipation gehindert werden sollten, wozu einige Ausdeutungen des Islams sicher gehören. In einem laizistischen Staat mit einem islamischen Bevölkerungsanteil hat ein Kopftuch-Verbot gerade die Wirkung, dass bestimmte Religionen diskriminiert werden, zum Beispiel, wenn eine Muslima sowohl ein Kopftuch tragen, als auch Lehrerin oder Abgeordnete sein möchte. Das Kopftuch-Verbot führt also gerade dazu, dass der Staat nicht neutral ist.

Dass die Erziehung weltanschaulich neutral bleiben sollte, damit Religionsfreiheit unter Erwachsenen bestehen kann, halte ich für ein relativ gutes Argument, denn Erziehung ist der einzige Bereich, in dem Paternalismus Sinn macht, weil Kinder noch keine gänzlich autonomen und entwickelten Persönlichkeiten sind, dennoch halte ich das Argument in der Kopfttuch-Frage für verfehlt. Über verschiedene Aspekte wie Geschäfte und Religion können Kinder noch nicht entscheiden. Zunächst wäre es jedoch in Deutschland doppelmoralisch, wenn man daraus ein Kopftuch-Verbot ableiten würde, weil es auch religiöse Schulen gibt und Religionsunterricht, der von Religionsgemeinschaften durchgeführt wird. Dann ist das Tragen eines Kopftuchs nicht hinreichend dafür, dass keine ausreichende weltanschauliche Neutralität besteht. Das Tragen eines Kopftuchs allein ist in erster Hinsicht eine private Angelegenheit und bedeutet nicht, dass eine muslimische Lehrerin Kinder manipulativ zu Muslimen erzieht. Jeder Mensch hat irgendwelche metaphysischen Ansichten, mögen sie auch ein atheistischer Materialismus sein. Wenn der Staat hier auf dem Boden der Verfassung neutral sein soll, reicht es aus, wenn Schulen keinen Religionsunterricht anbieten würden.  Ein Kopftuch-Verbot lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Mit einer ähnlichen Manipulations-These könnte man das Tragen  von Kopftüchern überhaupt verbieten, wenn Kinder in der Nähe wären. Dass das absurd ist, leuchtet ein. Die Freiheitssphäre des Einzelnen wiegt gerade in einer liberalen Gesellschaft wie der unseren schwerer als der Schutz vor einer möglichen, schwachen Beeinflussung.

Zu dem Vorwurf, dass das Kopftuch ein sexistisches Symbol sei oder dass es für eine intolerante Religion wirbt, die nicht auf dem Boden der Verfassung steht, muss man sagen dass Religionen keine monolithischen Gebilde sind, auch wenn die meisten Religiösen und auch die meisten Nicht-Religiösen das vielleicht gerne so hätten, weil sie dann besser argumentieren könnten. Die Deutung von Koran, Sunna, von Bibel und Thora, von Kopftuch und Kreuz sind in so hohem Maße umkämpft, dass keine hinreichende Eindeutigkeit hervorgeht. Es gibt Menschen, die aus dem Koran die Scharia ableiten, es gibt aber auch Muslima, die zugleich Feministinnen sind und in dem Islam eine Religion der Barmherzigkeit sehen. Ich habe den Koran gelesen und war stellenweise erschrocken, aber ich habe auch die Thora und das neue Testament gelesen und musste auch dort bei einigen Stellen gegen ein flaues Gefühl im Magen ankämpfen. Ich bin jedoch nicht so anmaßend, dass ich sage, dass meine Deutungen die richtigen sind. Es gibt in den heiligen Schriften der großen Religionen auch sehr viele schöne Passagen und die genauen religiösen Ausdeutungen reichen von intoleranten, rassistischen und homophoben Deutungen, die leider weit verbreitet sind, bishin zu freundlichen Deutungen, die ethisches Bewusstsein stärken. Es ist jedoch eine wesentliche Säule unserer Gesellschaft, dass wir in solchen Deutungsfragen unterschiedlicher Meinung sein können. Dies reicht von Meinungsfreiheit über Religionsfreiheit. Wenn Voltaire sagt: “Du bist anderer Meinung als ich und ich werde Dein Recht dazu bis in den Tod verteidigen.”, dann muss man ihm als ein echter Demokrat zustimmen. Meinungsfreiheit hat Grenzen, zum Beispiel in der Erziehung, diese Grenzen jedoch bei einem Kleidungsstück zu sehen, dessen Deutung nicht geklärt ist, ist in einer aufgeklärten und liberalen Gesellschaft albern und das schreibe ich als jemand, der Religionskritik ebenfalls für sehr wichtig hält.

Letztendlich lässt sich aus dem Gesagten ableiten, dass das Kopftuch-Verbot zu verwerfen ist. Das Kopftuch verweist auf sehr unterschiedliche Bedeutungen. Das Tragen eines Kopftuchs ist nicht hinreichend dafür, das Dritte in relevanter Weise geschädigt werden und berührt so nur die Freiheitssphäre der Trägerin des Kopftuchs, die dieser in einer liberalen Gesellschaft spätestens qua Volljährigkeit gänzlich selbst überlassen ist.

Bildung im Wettbewerb – Über Bildungsgutscheine

Eine traditionelle Rolle des Staates wird darin gesehen, dass er die Bildung seiner Bürger mindestens in einem gewissen Maße garantiert. Milton Friedman, Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften und Gegenspieler von John Maynard Keynes, hat sich allerdings schon 1955 Gedanken darüber gemacht, wie sinnvoll das staatliche Bildungsmonopol ist und es in Teilen in Frage gestellt. Da Friedman sich als klassischer Liberaler sah, hatte er eine große Skepsis gegenüber zu großer Macht des Staates, die er in vielen wissenschaftlichen Arbeiten und wirtschaftswissenschaftlichen sowie philosophischen Essays argumentativ zum Ausdruck brachte, in denen er die positiven Auswirkungen des Wettbewerbs in der Wirtschaft betonte.

Im Bildungsbereich plädierte er für eine Kombinationsmöglichkeit aus Privatisierung und staatlichem Bildungsauftrag in Form von Bildungsgutscheinen. Der Staat soll dabei den Eltern von schulpflichtigen Kindern Gutscheine geben, die diese gegen Bildungsleistungen bei privaten, aber staatlich zertifizierten Bildungseinrichtungen eintauschen können. So kann der Staat die Voraussetzung dafür schaffen, dass jedes Kind Schulbildung in Anspruch nehmen kann, dass dabei Schulpflicht möglich ist und dass zugleich Wettbewerb im Bereich der Bildung existiert, der im Rahmen von Konkurrenz dazu führen soll, dass sich die Leistung der Schulen verbessert und dass mehrere didaktische Konzepte empirisch ausprobiert werden. Außerdem ermöglicht ein solches System Eltern mehr Wahlmöglichkeiten.

In Chile wurde und wird dieses Konzept erprobt, wobei neben privaten Schulen auch staatliche Schulen zur Verfügung stehen, bei denen man die Gutscheine einlösen kann. Neben den Gutscheinen werden dabei von privaten Schulen seit 1993 auch zusätzliche Gebühren nach eigenem Ermessen erhoben.

Zu den Auswirkungen des Gutschein-System gibt es mehrere Studien und wissenschaftliche Arbeiten, so etwa die Einschätzungen von Chang-Tai Hsieh und Miguel Urquiola von der Columbia University, die in ihrer Studie “The effects of generalized school choice on achievement and stratification: Evidence from Chile’s voucher program” (2006) keinen besondern Anstieg der akademischen Leistungen und der Schulleistungen der Schüler, aber große soziale Segregation als Resultate sehen. Private Schulen würden dabei vor allem die besten Schüler rekrutieren und nicht etwa die Qualität der Lehre selbst signifikant steigern. Die Schüler von privaten Schulen würden zwar besser Leistungen zeigen, dies lasse sich jedoch auf Effekte zurückführen, die auf das Vorsortieren zurückgehen und die, wenn sie herausgerechnet werden, darauf verweisen, dass erwartete wettbewerbsbedingte Leistungssteigerungen selbst bei den Privatschülern ausbleiben. Andere Studien sehen geringe Verbesserungen der Schulleistung, aber auch größere Abhängigkeit von sozio-ökonomischer Herkunft.

Zu einem Desaster haben die Bildungsgutscheine jedenfalls nicht geführt. Es gab keine Verschlechterungen oder Engpässe, was vermutlich auch auf die Versorgung durch public schools zurückzuführen ist. Fraglich bleibt, inwieweit man aus den begrenzten Daten aus Chile zu einer abschließenden Gesamtbeurteilung kommen kann. Möglicherweise zeigen sich starke positive Effekte erst nach einigen Jahrzehnten. Schließlich muss auch erst einmal empirisches Material gesammelt werden, das ausgewertet wird und erst dann zu didaktischen Anpassungen führen kann. Möglicherweise gibt es in Chile auch besondere Auswirkungen von speziellen Parametern wie etwa die Schüler-Auswahlmöglichkeiten der Schulen, die man anders gestalten könnte. Die mangelnde Chancengleichheit lässt sich vielleicht im Wesentlichen darauf zurückführen, dass zusätzliche Studiengebühren erhoben wurden. Was Bildungsgutscheine im jeden Fall bieten, ist eine größere Vielfalt, die den Eltern mehr Wahlmöglichkeiten bieten. Ob sie auch die Effizienz der Lehre steigern, kann abschließend noch nicht beurteilt werden.